REFORMEN, REFORMEN, REFORMEN
Am 3. Juli 2006 einigten sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD auf die Eckpunkte zur Gesundheitsreform.
Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, fassen den Kern der Pläne der Bundesregierung zur Gesundheitsreform 2007 wie folgt zusammen:
- Die Krankenkassen erhöhen ihre lohnbezogenen Beitragssätze 2007 um ca. 0,5 Prozentpunkte, was voraussichtlich Mehreinnahmen von ca. 5 Mrd. Euro einbringen wird. Die Erhöhung trifft Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte. Der Beitragssatz erreicht damit im Durchschnitt der Krankenkassen 14,7% des Bruttolohns. Davon werden 6,9 Prozentpunkte vom Arbeitgeber gezahlt, der Arbeitnehmerbeitrag enthält weiterhin den 2005 eingeführten Sonderbeitrag von 0,9% und wird daher im Durchschnitt 7,8 Prozentpunkte betragen. (Der Gesetzgeber wollte damals mit diesem Sonderbeitrag die Arbeitgeber von Lohnnebenkosten entlasten und versprach sich dadurch einen Anreiz zur Schaffung von Arbeitsplätzen.) Die ursprüngliche Aussage, der Sonderbeitrag solle das persönliche Lebensrisiko jedes Einzelnen für Zahnersatz und Krankengeld abdecken, wurde schnell wieder fallen gelassen. Denn mit diesem Argument hätte man alle Rentner, die ja keinen Anspruch mehr auf Krankengeld haben, zumindest von einem Anteil des Sonderbeitrages befreien müssen.
- Der steuerfinanzierte Zuschuss zur Krankenversicherung, der 2007 um 2,7 Mrd. Euro auf 1,5 Mrd. Euro gesenkt wird und der laut Koalitionsvertrag ab 2008 entfallen sollte, wird nun doch beibehalten. 1,5 Mrd. Euro sind für 2008 und
3 Mrd. Euro für 2009 vorgesehen. Langfristig soll der Steuerzuschuss weiter steigen. Durch ihn soll künftig die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden.
- Die lohnbezogenen Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der Zuschuss aus Steuermitteln sollen in Zukunft über einen Gesundheitsfonds unter den Krankenkassen verteilt werden. Dazu kommt ein ergänzender Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen von ihren jeweiligen Versicherten direkt erheben können. Dabei wird ihnen freigestellt, diesen Zusatzbeitrag prozentual zum Einkommen oder als Kopfpauschale zu erheben. Der Zusatzbeitrag bleibt auf maximal 1% des Einkommens begrenzt. Kassen, die weniger ausgeben als sie Mittel aus dem Gesundheitsfonds erhalten, können ihren Mitgliedern stattdessen auch Beiträge erstatten.
- Die derzeitige Begrenzung der Ärztevergütung auf ein festes Gesamtbudget wird aufgehoben. Stattdessen wird die Vergütung umgestellt auf Pauschalen je Leistung, je behandelte Krankheit oder je Patient, die in einer bundeseinheitlichen Euro-Gebührenordnung festgelegt werden. Schwerpunkt soll die Vergütung für Komplexe zusammengehörender Leistungen werden. Bei Überschreitungen bestimmter Leistungsmengen wird dabei ein Arzt nur noch stufenweise niedrigere (abgestaffelte) Preise berechnen dürfen.
- Die Apotheker müssen einen höheren Rabatt (2.30 Euro) als bisher (2 Euro) an die gesetzlichen Krankenkassen zahlen. Dies entspricht einer Einsparung von rund 180 Millionen Euro jährlich. D.h. die Apotheker verdienen dann nur noch 5.80 Euro statt bisher 6.10 Euro zzgl. 3% pro abgegebenem verschreibungspflichtigen Medikament.
- In der privaten Krankenversicherung (PKV) sollen Versicherte bei einem Wechsel der Versicherung in Zukunft die Altersrückstellungen, die bei der bisherigen Versicherung für sie gebildet wurden, zur neuen Versicherung mitnehmen können. Bisher verlieren die Versicherten diese aus ihren Beiträgen in der PKV aufgebauten Kapitalbestände, wenn sie in eine andere Versicherung wechseln.
- Eine Pflichtversicherung aller Bundesbürger wird vereinbart. Danach müssen neben der gesetzlichen Krankenversicherungen auch die privaten Krankenversicherungen einen einheitlichen Grundtarif mit einem Mindestmaß an Leistungen anbieten. Die Ablehnung eines Antrages auf Aufnahme in den Grundtarif kann nicht infolge einer gesundheitlichen Risikoprüfung erfolgen.
Die Steuerfinanzierung des Fonds wird kritisiert, weil die Kosten im Gesundheitswesen an Transparenz verlieren und vor allem weil sich die Lobby der Einkommensstärkeren gegen die Ausweitung der Solidarität auf ihr volles Einkommen für Krankenversicherungszwecke wehrt. Möglicherweise rechtswidrig sei, dass privat Versicherte wie bisher die Beiträge für sich selbst und für jedes eigene Kind voll bezahlen müssen, zusätzlich aber über die Steuer in weitere Versicherungen einzahlen, aus denen keine Leistungen erfolgen. Kritisiert wird auch, dass der Fonds selbst neue Kosten für seine Verwaltung erzeugt.